Was, wenn Haustiere alt werden? Oder krank? Oder einfach nur: lästig?

Martin Menter und sein Adlerweibchen Kaisa, 16.

Martin Menter, Falkner aus der Nähe von Ulm, und sein Adlerweibchen Kaisa, 16.

»Kaisa wird mit den Jahren immer aggressiver. Sie hackt und beißt, und wenn sie mir auf der Hand sitzt, quetscht sie richtig meinen Arm. Weil Adlerkrallen nun mal nicht steril sind, hat man ruckzuck eine Blutvergiftung. Ich bin der Einzige, der noch mit ihr umgehen kann. Selbst meine Frau traut sich nicht mehr zu ihr. Die Kaisa hat sie mal angefallen und sich in ihrem Arm so festgekrallt, dass meine Frau Stichverletzungen und Prellungen hatte. Christine hat das weggesteckt, sie kennt ja meine Leidenschaft für die Tiere! Ich habe mehrere Greifvögel. Kaisa kam 2003 von einer Wanderfalknerin zu mir. Halb tot. Ich hab sie trotz ihrer chronischen Fußverletzung wieder hinbekommen. Die Falknerin hatte ihr das falsche Futter gegeben. Adler fressen nun mal Hühner, Kaninchen, Mäuse oder Ratten – und kein Putenfleisch vom Metzger.

Klar geht die Haltung ins Geld, Kaisa verschlingt täglich circa anderthalb Kilo rohes Fleisch, außerdem muss sie viel bewegt werden. Freizeit habe ich nicht. Meine Greifvögel sind meine Freizeit. Ich war noch nie im Urlaub und kann nicht mal zwei oder drei Tage wegfahren. Einen Adler kann man nicht von Fremden betreuen lassen. Ich muss mich um Kaisa kümmern, bis sie stirbt. Jetzt ist sie 16. Eigentlich werden Adler 30 bis 40 Jahre alt, das schafft die Kaisa aber nicht – wegen ihres Fußgeschwürs. Ich habe mich damals so gefreut, als sie zu mir kam, jetzt aber ist es nur noch anstrengend.«

Westie Angelina, 4

Vera Ziegler aus Schweinfurt und ihr Westie Angelina, 4.

»Wir haben Angelina nur für unsere Tochter angeschafft. Die hat sich immer einen Hund gewünscht, wir haben erst mal Nein gesagt. Stattdessen gab’s Vögel, einen Hamster, ein Kaninchen. Aber sie wollte eben einen Hund. Das ist irgendwie mehr ein Familienmitglied. Gut, sie war eine Nachzüglerin, ihre beiden Schwestern sind viel älter. Als unsere Tochter dann zehn war, haben wir ihrem Mosern nachgegeben, und sie hat Angelina bekommen. Davor haben wir sogar einen Hunde-Gassi-geh-Plan aufgestellt: Sie wollte morgens vor der Schule und nachmittags gehen. Schon ein Jahr später habe ich von ihr zum Muttertag einen Gutschein über zweimal Gassi-Gehen bekommen. Das sagt eigentlich schon alles.

Nur wenn Freundinnen da waren oder zum Angeben war der Hund noch gut. Inzwischen ist unsere Tochter in der Pubertät, ihr Interesse an Angelina ist noch geringer geworden. Dafür muss ich mich jetzt kümmern. Ich habe noch Glück, Angelina ist ein lieber Hund, der nicht hochspringt, nicht trödelt, nicht alt oder krank ist. Trotzdem: Diese Angebundenheit nervt. Ja, ja, klar kann Angelina nichts dafür, aber ich auch nicht. Ich hab sie krass gesagt an der Backe. Wenn ich meinen Mann mal auf Tagungen begleiten möchte, hab ich riesige Probleme, den Hund unterzukriegen.

Eine Bekannte hat zwei Katzen, wenn sie Angelina nimmt, schläft sie extra beim Hund im Wohnzimmer, weil die Katzen sonst die Angelina niedermachen. Meine älteren Töchter wohnen sehr weit weg, die können Angelina auch nicht nehmen. Selbst wenn ich mal in der Stadt bin, habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich Angelina nicht länger als zweieinhalb Stunden allein lassen möchte. Und das geht jetzt bestimmt noch die nächsten zehn Jahre so, wenn man die Lebenserwartung realistisch einschätzt.«

Cornelia Ritter und ihr Pferd Delish, 30.

Cornelia Ritter, Stewardess aus München, und ihr Pferd Delish, 30.

»Seit ich Delish kenne, ist er krank: Anfangs hatte er Lungenprobleme, weil der Vorbesitzer das Heu nicht nass gemacht hatte, später litt er unter einer ganz üblen, langwierigen Fußverletzung. So übel, dass ich das bandagierte Tier dreimal am Tag spazieren führen musste, mindestens ein dreiviertel Jahr lang. Ich habe ihn wieder hinbekommen, aber reiten kann ich ihn seitdem so gut wie gar nicht mehr. In dieser Zeit bin ich oft den ganzen Vormittag im Stall geblieben. Das ging nur, weil ich als Stewardess Schicht arbeite. Viele haben die Zeit oder Geduld gar nicht und bringen ihre Pferde gleich zum Schlachter. Sind ja Lebensmitteltiere. Das kommt für mich aber nicht infrage. Manchmal ertappe ich mich dabei, dass ich mir wünsche, er würde ganz natürlich sterben. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich. Er kann nämlich kaum noch kauen. Obwohl ich Prebiotik-Müsli oder zerhäckseltes Heu füttere, könnte er durch unzerkautes Futter eine Kolik ent-wickeln. Wenn Delish nicht mehr laufen kann, total eingefallen ist und sich zurückzieht, werde ich ihn einschläfern lassen. Gerade verdränge ich das aber, schließlich habe ich ihn immer wieder aufgepäppelt.«

Border Terrier Polly, 14

Renate Lausmann, Krankenschwester aus Bad Krozingen bei Freiburg, und ihr Border Terrier Polly, 14.

»Pollys Zipperlein halten mich ganz schön auf Trab. Sie ist jetzt 14, eine alte Dame. Wegen ihrer schlechten Leber- und Nierenwerte fahre ich alle 14 Tage zur Tierärztin, wo sie Aufbauspritzen bekommt. Die Tierärztin kostet mich jeden Monat 150 Euro. Hitze verträgt Polly auch nicht mehr. Bei uns im Rheintal ist es aber oft wärmer als anderswo, also gehe ich mit ihr morgens um halb sechs spazieren und trage sie immer über den heißen Asphalt und später die Treppen hoch. Ich glaube, auch an ihrem leichten Schlaganfall vor drei Monaten war die Hitze schuld. Gott sei Dank ist nichts zurückgeblieben. Na ja, und natürlich ist sie ganz grau und schläft viel. Aber ich kenne das und bin darauf eingestellt, weil meine Hunde bislang immer alt wurden. Die habe ich dann zum Schluss einschläfern lassen – und jedes Mal geheult. Trotzdem: So was wie Chemotherapien oder monatelange Infusionen für Hunde? Das ist nur Egoismus und Tierquälerei. Ich habe 35 Jahre als Krankenschwester gearbeitet und außerdem meinen Mann früh verloren und bin überzeugt: Tiere haben den Vorteil, dass wir ihnen ein langes Leiden ersparen können.«

Die Katzen Samy, 6, und Milo, 7

Daniel Grohotolski, Kommunikationsdesigner aus München, und die Katzen Samy, 6, und Milo, 7.

»Ich bin extrem allergisch auf die Katzen meiner Freundin. Als ich das erste Mal in ihrer Wohnung war, fing ich sofort zu niesen an. Und mir war ganz unwohl. Übernachten war dann echt anstrengend. Ich musste die ganze Zeit husten. Asthma. Jetzt sind wir fast zwei Jahre zusammen. Und so gut wie immer in meiner Wohnung, weil meine Freundin Samy und Milo nicht weggeben will. Wenn wir doch mal Sachen von ihr holen, warte ich vor der Tür oder bin im Bad. Da sind weniger Katzenhaare. Ohne Tabletten geht es maximal zehn Minuten. Und selbst mit Antihistaminen halte ich höchstens eine halbe Stunde bis Stunde aus, das hängt von der Tagesform ab. Klar nervt die Situation. Ich möchte mit meiner Freundin zusammenziehen. Ich verlange jetzt nicht, dass sie ihre Katzen für mich aufgibt, trotzdem wäre es besser, wenn die beiden nicht da wären. Ich fange jetzt erst mal eine Desensibilisierung an. Wenn die nichts bringt, weiß ich keinen Ausweg. Bei guter Pflege können Samy und Milo noch zehn Jahre leben.«

Süddeutsche Zeitung Magazin, 2012
Text: Meike Mai
Bildredaktion: Eva Fischer

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